John Grant – Die Kunst der Lüge :: OndaRock Reviews

John Grant ist kein leicht zu liebender Künstler, ein Komponist und Sänger mit Persönlichkeit und dieser Prise Unvorsichtigkeit, die das Wasser so lange aufwühlt, bis es unpassierbar wird.

Vierzehn Jahre sind seit den innovativen Einfällen von „Queen Of Denmark“, dem ersten Soloalbum nach dem Ende des Abenteuers mit den Czars, vergangen. Eine Zeit, die Grant damit verbrachte, mit den Geistern der Vergangenheit zu kämpfen, um dann mit dem Album „Boy From Michigan“ den Trost des Bewusstseins und der Reife zu finden.
Das sechste Album „The Art Of The Lie“ greift die lyrische und musikalische Dichte des Vorgängers auf und erweitert sie und markiert damit einen neuen An- bzw. Ausgangspunkt für den amerikanischen Musiker. John Grant erweist sich bei der Wahl des Partners seiner Projekte als geschickt: Nach Cate Le Bon übernimmt Ivor Guest die Regie, eine Wahl, die durch die gemeinsame Leidenschaft von John und Ivor für Brigitte Fontaine bestimmt wird, und für das Elegante ist der Produzent verantwortlich Balance zwischen Kammermusik und Elektronik.

Verwirrung, Verlust der familiären Zuneigung sowie rassistisches und homophobes Aufstoßen sind die Themen des erfolgreichsten und zusammenhängendsten Projekts des Autors. Auch der häufige Einsatz des Vocoders erhält eine ganz andere Konnotation als der rein musikalische: John Grants gefilterte Stimme scheint nicht zu jener technologischen Zukunft zu gehören, die der Einsatz des Vocoders hervorruft, sondern eher zu einem melancholischen Echo einer Vergangenheit ist inzwischen verschwunden.
Selbst die Vorfreude, die man der Single „It’s A Bitch“ und den ähnlich funkigen Impulsen von „All That School For Nothing“ entgegenbringt, täuscht teilweise: Die Texte sind nicht nur scharfsinnig und hochpolitisch, sondern viel ausführlicher und komplexer als moderne Vereinfachungen Mainstream.

Das exzellente Triptychon aus „Marbles“, „Father“ und „Mother And Son“ ist das Beste, was der Singer-Songwriter nach seinem gefeierten Debüt zum Ausdruck gebracht hat. Die dunklen Texturen von Synthesizern und Drum Machines und die schmeichelnde Melodie von „Marbles“ schaffen eine imaginäre Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. „Father“ stellt kontroverse Familienbeziehungen eindringlich vor, mit einer einprägsamen Melodie und einem Einsatz von Elektronik, die den romantischen Charakter des Films beruhigt und zerstört. „Mother And Son“ setzt nicht nur die schmerzhafte Analyse der Gefühle gegenüber den Eltern fort, sondern entfaltet sich auch mit einer Vielzahl verführerischer Harmonien, die als Kontrast zur Dunkelheit der Texte dienen.

Die Musik von John Grant liegt in diesem kontinuierlichen Kontrast zwischen funkelnden Melodien und unruhigen Texten. „The Art Of The Lie“ unterscheidet sich letztlich nicht von dem, was der US-amerikanische Musiker bislang produziert hat, doch unbestritten handelt es sich hier um eines der überzeugendsten Sets: „The Child Catcher“ und „Meek AF“ sind weitere Beispiele dafür auf einer Platte das langsam in Richtung Stille verblasst („Zeitgeist“). Diese elf neuen Lieder sind eine tiefgreifende Reflexion über die Vergänglichkeit der Zuneigung, aber auch die reichsten an Humor und Ernüchterung des amerikanischen Musikers.

19.06.2024

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