Ein Alpenkarneval: Die Schweiz ist Protagonistin einer Superfiktion auf der Biennale von Venedig

Der schweizerisch-brasilianische Künstler Guerreiro do Divino Amor vertritt die Schweiz an der 60. Ausgabe der Kunstbiennale von Venedig. Vor der Eröffnung der Veranstaltung hatte SWI swissinfo.ch in Begleitung des Künstlers exklusiven Zugang zur Installation.

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12. Mai 2024 – 14:00 Uhr

Die Biennale von Venedig erinnert noch immer an die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts. Sein Format ermöglicht es Ländern, ihr eigenes Bild von sich selbst zu projizieren. Heute präsentieren 30 Länderpavillons die Werke ihrer Künstler und Künstlerinnen in den Biennale-Gärten. Die Hauptausstellung fand stattdessen im Arsenale statt, dem Wahrzeichen Venedigs und einem antiken Komplex aus Werften und Waffenkammern, der die Serenissima jahrhundertelang zu einer Seemacht machte.

Es ist das zweite Mal in Folge, dass die Schweiz Künstler mit Migrationshintergrund ausgewählt hat. Im Jahr 2022 wurde das Land durch die schweizerisch-marokkanische Latifa Echakhch vertreten. In diesem Jahr ist das Gesicht der Konföderation Antoine Guerreiro Golay, auch bekannt als Guerreiro do Divino Amor oder Krieger der göttlichen Liebe.

Guerreiro wurde in Genf geboren und lebt seit über zehn Jahren in Rio de Janeiro. „Dort fühlte ich mich beim Schaffen am wohlsten und dort auch am meisten akzeptiert“, erzählt er SWI swissinfo.ch während eines langen Interviews in Venedig.

Einige Wochen vor der Eröffnung der Biennale hatten wir exklusiven Zugang zum Schweizer Pavillon.

Keystone / Gaetan Bally

Überall Ausländer

Die Ausgabe 2024 der BiennaleExterner LinkDas vom Brasilianer Adriano Pedrosa – dem ersten künstlerischen Leiter aus einem südlichen Land – kuratierte Projekt mit dem Titel „Ausländer überall“ zeichnet sich durch verschiedene Ausstellungen aus, die die Themen Dekolonisierung, Migration und Krieg beleuchten.

Über die Biennale wurde bereits vor ihrer Eröffnung gesprochen. Ruth Patir, die Künstlerin, die Israel vertritt, weigerte sich, den Pavillon ihres Landes einzuweihen, bis in Gaza ein Waffenstillstand erreicht worden war. Am 19. April kam es vor dem israelischen Pavillon zu einem massiven pro-palästinensischen Protest.

Inmitten dieser Spannungen bietet Guerreiros Arbeit eine originelle Perspektive, ohne im Widerspruch zu den allgemeinen Trends der Biennale zu stehen. Guerreiro präsentiert das siebte und achte Kapitel des Werks „The Superfictional Atlas of the World“, an dem er seit seiner Zeit als Architekturstudent gearbeitet hat. Diesmal konzentrierte er sich mit „Das Wunder von Helvetia“ auf die Schweiz und mit „Rome Talisman“ auf Rom.

Beide können als transmediale Installationen beschrieben werden, das heißt unterschiedliche Erzählungen auf unterschiedlichen Medien, die jeweils eine „narrative Welt“ bilden, in der ähnliche Themen und Konzepte interagieren und ihre eigenen „Oberfiktionen“ erzeugen.

Der Begriff „Superfiktion“ wurde 1989 vom schottischen Künstler Peter Hill geprägt und bezieht sich auf ein visuelles oder konzeptuelles Kunstwerk, das Fiktion und Aneignung nutzt, um die Grenzen zwischen Fakten und Realität von Organisationen, Geschäftsstrukturen und/oder Leben erfundener Personen zu verwischen. Diese Definition trifft perfekt auf Guerreiros Werk zu.

Der Künstler eignet sich Bilder von religiösen, geschäftlichen, landwirtschaftlichen und staatlichen Institutionen an, verwandelt sie in Allegorien und schafft so etwas Ähnliches wie einen Karnevalsumzug. In seiner Praxis dekontextualisiert Guerreiro diese Bilder und Ikonen und formuliert sie in seinen Erzählungen in einer Mischung aus Fantasy und Science-Fiction neu. „Aber gleichzeitig sind sie alle hyperrealistisch“, sagt er.


Keystone / Gaetan Bally

Andrea Bellini, Direktorin des Genfer Zentrums für zeitgenössische Kunst und Kuratorin der Ausstellung im Schweizer Pavillon, stellt Guerreiros Werk in die Perspektive der gesamten Biennale. In Anlehnung an den Titel der Biennale „Überall Ausländer“ erklärt er: „Mit dem Schweizer Pavillon laden wir unsere Besucher ein, sich als Ausländer in ihren eigenen Wahrheiten zu fühlen.“

Übersetzt mit Hilfe von Deepl/lj

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